Entwicklung nach der Pandemie?
Wird nach der Pandemie alles wie vor der Pandemie? Diese Frage trieb Anfang des Jahres viele Lehrende und Studierende um. Wird das Rad der Digitalisierung zurückgedreht? Für die Uni Stuttgart ist die Antwort einfach: nein. Die Nutzungsintensität der E-Learningdienste der TIK zeigt dies deutlich. Wir haben weiterhin eine de facto 100-prozentige Abdeckung von ILIAS zur Veranstaltungsunterstützung. Die Anzahl der Vorlesungsaufzeichnungen hat sich im Vergleich zu vor der Pandemie fast verfünffacht. Außerdem stießen viele Lehrende während der Pandemie auf nützliche Tools zur Unterstützung ihrer Lehre, die sie weiterhin nutzen wollen.
Web-basierte Teamarbeit wird auch in der Lehre immer selbstverständlicher. Gemeint ist damit die durch Kollaborations-Tools unterstützte Arbeit, die entweder nur online, oder „hybrid“ (mit Präsenz- und online Teilnehmenden) oder auch nur in Präsenz stattfindet und Tools wie Webex, Confluence, Conceptboard und einen Textchat verwendet. Auch manche Seminare finden mittlerweile „hybrid“ statt und erweitern der physischen Seminarraum virtuell, indem außerhalb der Uni sitzende Teilnehmende online über Webex zugeschaltet sind. Ein solches Szenario war vor der Pandemie noch undenkbar.
Stellenwert der Präsenzlehre?
Eine weitere Folge der Pandemie ist das geschärfte Bewusstsein für den Mehrwert der Präsenzlehre, wo sie unersetzlich ist. Das gilt in ganz besonderem Maße für Laborpraktika, die Arbeit in Werkstätten, gemeinsames Lernen und Veranstaltungen, die von Diskussion und kreativen Prozessen geprägt sind. Doch auch die physischen Räume, die für diese Aktivitäten genutzt werden, sind vom Digitalen durchdrungen. Die TIK machen das für die Studierenden im Makerspace im Universum erfahrbar. Dort werden digital gesteuerte Geräte durch herkömmliche Werkzeugen ergänzt und so Möglichkeiten und Grenzen der Digitalisierung verdeutlicht.
Neue Rollen für Studierende?
Der Makerspace ist ein gutes Beispiel für eine neue Rolle, welche die Studierenden beginnen einzunehmen, nämlich die Rolle der kompetenten „Co-Creation auf Augenhöhe“. Nicht nur, dass sie in Form von Raumaufsichten oder Workshops Verantwortung für den Makerspace übernehmen. Den egalisierenden Charakter, der den digitalen Medien innewohnt, wird beispielsweise auch in der Kooperation mit dem Institut für Entrepreneurship und Innovationsforschung (ENI) genutzt, für der Hinführung der Studierenden zur Ideenentwicklung bis hin zu Ausgründungen. Insgesamt ist mit diesen Aktivitäten die Hoffnung verbunden, dass Studierende eine aktivere Rolle in der Gestaltung der Universität und ihrer digitalen und physischen Lernumgebungen einnehmen.
Welche künftigen Handlungsfelder gibt es?
Die Pandemie und die mit ihr verbundene reine Online-Lehre hat sehr deutlich gemacht, dass zwar die technischen Tools vorhanden sind, aber die Kompetenz, diese zu nutzen, sehr unterschiedlich ausgeprägt ist. Die Vermittlung digitalisierungsbezogener Kompetenzen für Studierende und Lehrende wurde an der Universität Stuttgart bislang vernachlässigt. Hier muss nachgebessert werden, denn die Auseinandersetzung mit den Produkten der schnellen technologischen Entwicklung ist unvermeidlich und wird zurecht als „Future Skill“ bezeichnet. Am deutlichsten wird dies durch den „ChatGPT-Schock“ im November 2022. Bis dahin nur in Expertenkreisen verbreitetes Wissen um die Mächtigkeit von Künstlicher Intelligenz wurde auf einmal für alle zugänglich und stellte tradierte Formen der Wissensarbeit auf den Kopf. Für die Lehre hat dies starke Auswirkungen in allen Studienfächern. Um mit diesen Änderungen Schritt zu halten, brauchen wir permanente „Lernlabore“, in denen wir ausprobieren können, welche Anwendungen der Technologien nutzbringend sind und uns diese aneignen können.
Die meisten genannten Felder decken die zentralen Einrichtungen der Universität bislang nur durch Projektbeschäftigte ab. Hier stellt sich für die Zukunft die Frage, wie viel Stärkung der Digitalisierung durch fest angestelltes Personal wir benötigen und wie viel Nichts-Tun wir uns als Universität leisten können. Wir brauchen einen gesamtuniversitären Diskurs, der das Rektorat bei der Beantwortung der Fragen unterstützt, wie die Zukunft der Universität Stuttgart aussehen soll. Die Beantwortung dieser Fragen ist entscheidend für die Ausprägung der Digitalisierung, die wir für die Lehre brauchen.